Das eigene Grätzel aktiv mitgestalten, seine bunte Vielfalt fördern und nützen und den Verelendungstendenzen entgegenwirken – das sind die Ziele der Republik Reinprechtsdorf, einer Bürgerinitiative in Wien-Margareten, die seit knapp einem Jahr zahlreiche Aktivitäten setzt und die Gegend um Reinprechtsdorferstraße und Sieben-brunnenplatz belebend aufmischt.
Am 15. September 2012 wurde die Republik Reinprechtsdorf ausgerufen. Eine Bürgerinitiative mit viel Augenzwinkern und zivilgesellschaftlichem Humor. Haldis Scheicher, Präsidentin der Republik, hat We Pimp The World! für diesen kleinen Reiseführer durch die Republik ein paar Staatsgeheimnisse erzählt und Einblick in die Geschichtsbücher gegeben.
Politik
Die Republik hat eine Finanzministerin, die in wirtschaftlichen und rechtlichen Angelegenheiten firm ist. Umwelt- und Urban Gardening-Minister Paul baut Seedbombs und verteilt Pflanzen an die Bürger*innen der Republik. Das Aufgabengebiet der Verteilungsministerin Traude beschränkt sich zwar aufs Verbreiten des Infomaterials, der Jobtitel alleine ruft allerdings den Wunsch nach Nachahmung durch die Republik Österreich wach. Marliese Mendel ist Pressesprecherin offline wie auch in der digitalen Welt und für die diversen Onlinepräsenzen zuständig. Auch einen Zeremonienmeister gibt es, Wolf Jurjans, der im Rahmen der Republik Österreich ein Bezirksratsmandat innehat. Ohne ministerielle Würdetitel, dafür aber umso aktiver in der Bürgerinitiative, ist Robert Sommer, Mitbegründer und Redakteur des “Augustin“. Keine Staatsgeschäfte ohne bildliche Repräsentation: Brigitte Mair macht die Flyer (das reimt sich, akustisch, bitte schön!) und Plakate und was eine Republik sonst noch so an grafischem Außenauftritt braucht. Daneben gibt es noch eine große Zahl an Freund*innen der Republik, die immer wieder tatkräftig mitwirken.
Die Flagge der Republik Reinprechtsdorf ist übrigens ein Fleckerlteppich.
Geschichte
Wie so oft in der Geschichte begann auch jene der Republik Reinprechtsdorf mit Zwist und Kämpfen. Allerdings entzündeten sich diese nicht an Rohstoffen oder Festungen, sondern an einer Buchhandlung. Und sie wurden nicht mit Schwertern oder Kanonen ausgetragen, sondern mittels zivilgesellschaftlichen Engagements. Die Buchhandlung des Polycollege Stöbergasse, ein “Wahrzeichen” des Grätzels für den Zugang zu Bildung und Lesestoff mit Format, wurde mangels Wirtschaftlichkeit geschlossen. Zahlreiche Bürger*innen, allen voran Haldis Scheicher, sahen das als großen Verlust. Sie machten mobil und versuchten alles, um die Buchhandlung zu retten und andere Modelle für den Fortbestand zu finden – doch vergebens. So trug man an einem düsteren Tag im Dezember 2010 die Buchhandlung zu Grabe. Mit Kranzniederlegung, Trauerzug und TV-Bericht in “Am Schauplatz”.
Die Trauerphase hielt an, und wie so oft im Leben, entstand etwas Neues daraus: Gemeinsam mit Robert Sommer gewann Haldis Scheicher den Wirt des kleinen kurdischen Lokals Mimosa am Siebenbrunnenplatz dafür, dort die “Erste Margaretner Bücher-schAnk” zu errichten: “In meinem Lokal soll es künftig Nahrung für Körper und Geist geben,” meinte Mahmut Sayici. Im Mai 2011 fand die Eröffnung statt. Die Bücher-schAnk wurde mit Restbeständen der Buchhandlung und Privat-spenden bestückt. Seitdem gibt es ein reges Geben und Nehmen von Büchern aller Art.
Kultur
In etwa monatlichen Abständen bietet die Republik ihren Bürger*innen Brot und Spiele der anderen Art: Lesungen und Musikdarbietungen von Künstler*innen aus dem Grätzel, gegen freie Spende und ganz ohne Unterstützung der öffentlichen österreichischen Hand, aber mit umso mehr Einsatz der Reinprechtsdorfer Republikaner*innen stehen genauso am Programm wie Filmvorführungen oder spezielle Kochkurse: “Kochen mit nix” gibt Ideen, wie man auch mit ganz knappem Budget Essen auf den Familientisch zaubern kann. Was auf den ersten Blick vielleicht etwas befremdlich wirkt, hat seine gar nicht guten Gründe: Das Grätzel um die Reinprechtsdorferstraße und den Siebenbrunnenplatz ist im Durchschnitt einkommensschwach, zu den Bewohnerinnen zählen sehr viele Menschen mit Migrationshintergrund.
Doch dazu gibt es noch mehr zu sagen: Es gibt Menschen, die größere Zusammenhänge erkennen und einen tieferen Blick für Entwicklungen haben. Haldis Scheicher ist eine von ihnen: Die im Reinprechtsdorf-Grätzel lebende Schmuckkünstlerin mit Kärntner Wurzeln geht mit offenen Augen durchs Leben und durch ihre Wohngegend. Ihr fiel in den letzten Jahren auf, dass sich die Infrastruktur auf der Einkaufsmeile Reinprechtsdorferstraße zunehmend verändert hat. Viele der kleinen Geschäfte, die die Nahversorgung sichergestellt hatten, haben für immer geschlossen. An ihre Stelle sind vor allem Wettlokale getreten: Die Margaretner Shoppingstraße bringt es mittlerweile auf stolze 13 dieser Lokale mit Glücksspielautomaten, die großteils mit einer Konzessionierung als “Kaffeehaus” das Glücksspielgesetz umgehen.
Das könnte einem ja egal sein. Oder man könnte es mit Angebot und Nachfrage erklären. Oder mit der Tatsache, dass sich eben genau diese Lokale dort fürs Einmieten interessieren. Doch Haldis Scheicher weiß über die größeren Zusammenhänge Bescheid: Wettlokale werden mit Vorliebe in einkommensschwachen Gegenden errichtet, denn finanziell und sozial schwache Menschen setzen erfahrungsgemäß besonders stark aufs Prinzip Hoffnung und sind für Spielsucht anfällig. Die hohe Dichte an Glücksspiellokalen ist also ein starker Indikator für die drohende Verelendung dieses Grätzels.
Umso schmerzlicher war es für die Aktivist*innen rund um die Polycollege-Buchhandlung, dass in deren ehemaligen Räumen ausgerechnet wieder ein Spielsalon einzog – ihre schlimmsten Befürchtungen haben sich dadurch bestätigt. Wie schön, dass die engagierte Gruppe ihre Enttäuschung und Frustration auf so konstruktive Weise kanalisiert hat. Die Veranstaltungen setzen an den Bedürf-nissen der lokalen Bevölkerung an und beziehen diese mit ein. Im Oktober letzten Jahres fand zum ersten Mal “Reinprechtsdorf spielt sich auf” statt, mit einem bunten Programm – vom Protestmarsch gegen den neuen Mieter der ehemaligen Buchhandlung angefangen über eine Reihe nicht-kommerzieller Spiele (Handtuchwerfen, Bezirksratweittragen). Und erst etzte Woche – am 15. Juni 2013 – spielte sich das Grätzel zum zweiten Mal auf, diesmal schon mit breiter Unterstützung zahlreicher Kooperationspartner. Es wurden Pflanzen verschenkt und Seedbombs gebastelt, die Verfassung verlesen (ja, natürlich gibt es auch eine Verfassung), musiziert und getanzt, Märchen erzählt und gerapt und man übte sich wieder in innovativen Disziplinen wie z.B. dem “Kübeln”. Und das alles rein auf Privatinitiative. Da kann man nur sagen: “Es lebe die Republik!”
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