Eine schwimmende Farm mitten in New York? Nicht überall ist es erlaubt, frisches Obst und Gemüse im öffentlichen Raum anzubauen. Umso schöner, dass es immer wieder kreative Menschen gibt, die mit neuen Ideen neues Bewusstsein für Gemeingüter, öffentlichen Raum und das Recht auf gesunde Nahrungsmittelversorgung schaffen.
Eine schwimmende Farm
Ganz besonders gut gelungen ist das im Projekt Swale, das von der Künstlerin Mary Mattingly in New York ins Leben gerufen wurde: Sie ließ gemeinsam mit über 30 Partnern aus alten Schiffscontainern einen Kahn bauen und in eine schwimmende Farm verwandeln. Die Container stammen aus den Häfen von New York und New Jersey. Für das Design des Kahns zeichnet Biome Arts – ein dem Ökodesign und -hacking verschriebenes Künstlerkollektiv – in Zusammenarbeit mit Studierenden von drei Universitäten verantwortlich.
Auf dem 40 x 9 Meter-Kahn gibt es derzeit über 75 pflückreife Sorten, darunter allein zehn verschieden Obstbaumarten. Darunter siedeln sich allerlei Kräuter, Gemüse und Knollen an. Die Palette reicht von Artischocken über Erdbeeren, Spargel, Salat und Kakifrüchte.
Am Weg in die “food deserts”
Der Kahn fährt durch New Yorks Wasserstraßen und dockt in den sogenannten “food deserts” an. Das sind Gegenden – meist mit finanziell und sozial schwacher Bevölkerung – in denen es oft kilometerweit keinen Nahversorger mit frischen Produkten gibt. Der Griff zum Junkfood ist somit für diese Menschen keine freie Entscheidung. Folglich gibt es in diesen Wohngegenden eine besonders hohe Rate an Übergewicht, Diabetes und anderen Krankheiten.
Gesunde Nahrungsmittel als Grundrecht
Hier möchte Swale Abhilfe schaffen. Denn die Menschen können einfach aufs Boot kommen und nach Herzenslust pflücken. Das beste an Swale: Der “Einkauf” ist gratis. Denn die Projektbetreiber*innen möchten auch auf frische Lebensmittel als Grundrecht hinweisen. Frische Nahrungsmittel zu einem Gemeingut statt einem Luxusartikel zu machen ist ihre Vision.
Wie es zur Idee kam
Doch wie kam es zu dieser Idee? Mary Mattingly hatte am Projekt Waterpod teilgenommen und sechs Monate auf einem Selbstversorger-Boot gelebt. Die dabei gesammelten Erfahrungen sind in Swale eingeflossen. So entstand beispielsweise die Idee, Swale als mehrjährigen essbaren Wald zu betreiben, als Erfahrungsgewinn nach der Plagerei am Waterpod. Dort gab es nur einjährige Pflanzen und die Versorgung war ein enormer Aufwand. Daraus hat Mattingly gelernt und möchte nun nach Permakulturprinzipien wirtschaften. Der Esswald kann dann immer mehr sich selbst überlassen werden und braucht nicht so viel Betreuung.
Technik an Bord von Swale
Alle Gartengeübten fragen sich nun vermutlich, wie es mit dem Gießen funktioniert. Es gibt einerseits einen Regenwasserauffang, andererseits wird das Wasser aus dem East River verwendet. Beide Wasserquellen werden in einer Pflanzenkläranlage an Bord gereinigt.
Auch für ein wenig Wissenschaft ist gesorgt: In den Beeten sind digitale Sensoren eingebettet, die einerseits Messdaten über Temperatur, Feuchtigkeit, pH-Wert und Salzgehalt zur Verfügung stellen. Andererseits werden diese Daten dann visuell umgesetzt und bei Dunkelheit in den öffentlichen Raum projiziert. So entsteht eine neue Kunstform, die zeigt, was sich an Bord und in den Beeten tut.
Kunst und Finanzierung
Swale verbindet den Ernährungsanspruch mit einem künstlerischen und sieht sich an der Schnittstelle zu Kunst und Aktivismus. Die Hauptbotschaft ist, das Nahrungssystem zu überdenken, Essen gedanklich als Menschenrecht zu verankern und Wegbereiter für den Anbau von Nahrungsmitteln als Gemeingüter auf öffentlichen Flächen zu sein. Außerdem sollen an Bord zahlreiche Veranstaltungen stattfinden, um die Menschen zum Bleiben und zum Austausch einzuladen.
Swale ist massiv auf finanzielle Unterstützung angewiesen und finanziert sich vorwiegend durch Sponsoring und Spenden, u.a. von der New York Foundation for the Arts. Auch via Crowdfunding über Kickstarter wurden Mittel aufgestellt, um das Projekt umsetzen zu können.
Die Reaktionen und wie es weitergehen soll
Die Menschen reagieren begeistert auf Swale. Viele helfen bei der Gartenpflege und Ernte mit und möchten dafür sorgen, dass Swale weiter bestehen kann. Mattingly hofft, dass sich dadurch mittelfristig die rechtliche Lage ändern wird und das Anbauen von Nahrungsmitteln im öffentlichen Raum erlaubt wird. Dann könnten auch an Land viele dieser neuen Gemeinschaftsgärten entstehen. Kleine Fortschritte gibt es schon. Denn früher hatten manche Städte die öffentlichen Gärten regelrecht unterbunden aus Angst, dass die Stadt mit Schadenersatzansprüchen überhäuft werden könnte oder dass besondere Gierschlunde die Flächen radikal abernten würden. Doch nun hat das Parkamt der Stadt New York bereits den Andock-Fahrplan von Swale auf ihrer Website veröffentlicht. Ein nicht zu unterschätzender Schritt …
In diesem Video wird Mary Mattingly vom BBC interviewt und erzählt über ihr Swale-Projekt:
Beitragsbild: © Swale NY
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